Besuch bei der Frankfurter Börse am 2. Mai 2007

Besuch bei der Börse
Bonner Journalisten informieren sich über die Deutsche Börse in Frankfurt/Main
Nach dem Börsenfiasko der New Economy, einem Jahrhundertcrash zur Jahrtausendwende, klettert der DAX nun wieder in erfreuliche Höhen. Alle Fäden des Aufwärtstrends laufen bei der Deutschen Börse AG mit Sitz in Frankfurt zusammen. So verwundert es nicht, dass 18 Kolleginnen und Kollegen am 2. Mai der Einladung der Bonner Journalistenvereinigung BJV zu einer Informationsveranstaltung an der Börse folgten. Das spannende Programm, vom Besuch des neuen Börsensaals bis zu Gesprächen mit Journalisten und Experten, organisierte unser Kollege Udo Giesen.

Rebecca Schmidt von der Unternehmenskommunikation gab zunächst einen kurzen Überblick über die Geschichte der Frankfurter Börse. Wir erfuhren, dass sich deren Anfänge auf das Jahr 1585 datierten lassen. Damals wurden die Wechselkurse der über 35 verschiedenen Münzsorten festgelegt. Ursprünglich fand die Börse, die nichts anderes als ein Marktplatz für Finanzinstrumente ist, im Freien statt, erst 1879 zog die Börse in ein eigens zu diesem Zweck errichtetes Gebäude am Börsenplatz 4.

Traditionsreich und dennoch supermodern

Die erste Aktie, die an der Frankfurter Börse im Jahr 1820 gehandelt wurde, war ein Wertpapier der Österreichischen Nationalbank. Heute werden etwa 8.400 unterschiedliche Aktien an der Frankfurter Börse gehandelt. Auf die 1.112 deutschen Wertpapiere entfallen 97 Prozent des Umsatzes, auf die 7.305 ausländischen Aktien nur drei Prozent. Abgewickelt werden rund 98 Prozent der gehandelten DAX-Werte (Volumen 2006: 1268,33 Mrd. Euro) vom Computerhandelssystem XETRA; nur noch 1,33 Prozent (2006: 17,31 Mrd. Euro) werden im klassischen Sinn über das Parkett gehandelt, der Rest entfällt auf andere Börsen. Beim Computerhandel entscheiden mittlerweile absurde 70 Millisekunden darüber, wer den Zuschlag bekommt. Ein Grund dafür, warum Handelspartnern die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre Rechner im Börsengebäude zu platzieren. Dennoch ist der Parketthandel gerade für Privat- und Kleinanleger interessant, da er provisionsfreie Käufe (zero spread) und eine persönliche Betreuung ermöglicht und außerdem viele Rentenpapiere und ausländische Papiere nur auf dem Parkett gehandelt werden.

Häppchenjournalismus setzt sich durch
Heute sind sieben Fernseh- und ein Hörfunksender an der Börse präsent. Sie berichten Tag für Tag über die aktuelle Entwicklung und die wirtschaftlichen und politischen Hintergründe.

Die Tatsache, dass BJV-Mitglied Hans-Ulrich Spree, Vater der ZDF-Sendung WISO, Teilnehmer unserer kleinen Reisegruppe war, erfreute die ZDF-Kollegen an der Börse. Sie wollten uns gar nicht mehr ziehen lassen. Vier Moderatoren sowie zwei bis drei CVD und Techniker produzieren hier täglich Beiträge über Wirtschaft, Börse und Hintergründe für das Programm des „Zweiten“. Jeder Beitrag, ob für Magazin- oder Nachrichtensendung, muss dem Stil der Sendung angepasst werden. Der Trend zum „Häppchenjournalismus“ mit immer kürzeren Beiträgen ist dabei un-übersehbar: Der heutige Standard sind 1,40 Minuten, während die Beitragslänge früher sieben Minuten betrug. In der Regel sind allgemein interessierende Wirtschaftsnachrichten, wie zum Beispiel die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, die Aufhänger.

Börse im Ersten für mehr Basiswissen
Die ARD-Sendung „Börse im Ersten“, die täglich vor der Tagesschau ausgestrahlt wird, konzentriert sich dagegen bewusst auf die Vorgänge an der Börse. Mit mehr als 2,5 Mio. Zuschauern ist sie die erfolgreichste reine Börsensendung weltweit. Frank Lehmann, der die Sendung bis zu seinem Ruhestand im vergangenen Jahr moderierte, berichtete uns von den Herausforderungen der Börsen-Berichterstattung an den Journalisten. Seiner Meinung nach herrsche in Deutschland immer noch „Finanzanalphabetismus“ und dies erfordere die Vermittlung von Basiswissen. „Wir wollen aktuell informieren, Hintergründe erklären und das Ganze muss nett verpackt sein“, beschrieb Lehmann den Anspruch der zwei bis dreiminütigen ARD-Börsennachrichten.

Die Tücken vom Börsenjournalismus

Auch die Gefahr, als Journalist instrumentalisiert zu werden, wurde diskutiert. Der Pressereferent der Deutschen Börse AG Walter Allwicher bestätigte, dass der Journalist letztendlich dem Analysten ausgeliefert sei. Deshalb müsste diese Informationsquelle genauso kritisch geprüft werden wie andere. Als Negativbeispiele sprach Frank Lehmann die New Economy Hysterie und das Desaster der T-Aktie an: „Da sind wir Journalisten voll ins Messer gelaufen.“ Zum richtigen Umgang mit Börsennachrichten empfahl der Profi in seiner gewohnt humorvollen Art: „Jeden Tag ‚Börse im Ersten’ gucken, aber nicht danach richten!“

Dr. Katharina Seuser (Beisitzerin im Vorstand der BJV)

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