Bonner Begegnungen: Besuch bei der SolarWorld AG

BJV: Sonnige Perspektiven verfinstern sich

Um kleine Brände zu löschen, reicht oft schon ein Eimer Wasser. Bei Großbränden allerdings ist Kreativität gefordert. Die Bonner Solarworld AG mit weltweit knapp 3.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von knapp einer Milliarde Euro (Ende 2011) sucht derzeit händeringend nach einem erfolgreichen Löschmeister, der die Auswirkungen der wuchtigen Krise in der Photovoltaik-Branche meistern kann. Das machte ein Besuch der Bonner Journalisten-Vereinigung (BJV) Ende Oktober beim deutschen Aushängeschild der Solarstromtechnik deutlich.

Eine beeindruckende Architektur zeichnet den in einem ehemaligen Wasserwerk  im Bonner Süden untergebrachten Firmensitz aus. Bodenfenster im Erdgeschoss geben den Blick auf ein weitverzweigtes, mehrfarbiges Wasserrohrsystem frei. Keine Frage: Firmengründer Frank Asbeck gönnt Mitarbeitern und Besuchern ein besonderes Flair. Lediglich 60 Beschäftigte steuern die Zentrale; einen Steinwurf entfernt, passend zum Solar-Mittelständler, das Weltklimasekretariat der Vereinten Nationen.

Der Einladung zum Besuch im Rahmen der BJV-Reihe „Bonner Begegnungen“ folgten über 20 Journalistinnen und Journalisten. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Konzernsprecher Milan Nitzschke hat momentan einen harten Job. In der Branche ist Feuer unterm Dach, „Spiegel online“ titelte wenige Wochen zuvor: „Deutsche Solarfirmen vor der Sonnenfinsternis“. Mehrere namhafte Hersteller von Solarmodulen strichen bereits die Segel, kapitulierten angesichts eines ruinösen Wettbewerbs auf dem Weltmarkt. Solarworld kam bislang mit einem blauen Auge davon. Dank hochautomatisierter Fertigung und einem Arbeitskostenanteil von nur zehn Prozent sowie einem überdurchschnittlich hohen Exportanteil von über 70 Prozent. Die hohe Wertschöpfung hilft dem Konzern über die Runden.

Die Hauptursache der „bedrohlichen Entwicklung“  liegt Nitzschke zufolge in Fernost: China. Hier werde die Umwelttechnologie hoch subventioniert mit der Folge hoher Überkapazitäten, etwa an Solarmodulen. Diese würden in alle Welt exportiert und zu Dumpingpreisen verkauft. Nitzschke sprach von einem „Solarkonflikt“ zwischen China und der EU als einem der wichtigsten Absatzmärkte, der sich zuspitze und zunehmend eine Bedrohung für europäische Solarkonzerne darstelle.

Die Journalistenrunde zeigte sich überrascht über die Offenheit des Konzernsprechers, der sich auch zu den Details eines in diesem Herbst initiierten Dumpingverfahrens in Brüssel äußerte. Zusammen mit 24 europäischen Unternehmen will die Bonner Solarschmiede gegen chinesische Billigstimporte vorgehen. „Wir haben bei der EU das größte Handelsverfahren angestrengt, das es jemals weltweit gegeben hat“, sagte „Brandmeister“ Nitzschke. Eine vorläufige Entscheidung erwarte er im Juni 2013. Dem sollen „finale Maßnahmen auf EU-Ebene Ende 2013 folgen“. Ob im Sinne von Solarworld und anderen Mitbewerbern, wird sich zeigen. „China beobachtet das Verfahren mit Argwohn“, weiß Nitzschke. Der Marktanteil chinesischer Solarmodule in Europa liege derzeit bei 80 Prozent. Tendenz steigend. Solarworld strebe einen „international fairen Wettbewerb“ an. Immerhin: Die Bonner geben dem Endkunden eine 25-jährige Garantie auf ihre Module. „Da können die Chinesen nicht ganz mithalten. Denken Sie nur an Handys aus Fernost, deren Akku nach nur zwei Jahren den Geist aufgeben“, so Nitzschke.

Die BJV-Mitglieder erfahren viel über nachhaltige Energiepolitik, über eine paradoxe Strompreisentwicklung in Deutschland und über fragwürdige Subventionen, die verhindern, dass es zu Preissenkungen für Verbraucher kommt. Die eine Million Betreiber von Solarstromanlagen sind den vier einflussreichen Stromriesen natürlich ein Dorn im Auge. Nitzschke beziffert den Anteil erneuerbarer Energie in Deutschland auf über 20 Prozent. RWE, Vattenfall  & Co setzen derweil lieber auf Großkraftanlagen, betrieben mit Atom, Kohle und Gas…

Und was ist dran an den Gerüchten, wonach der umtriebige Firmenchef Frank Asbeck, der das Unternehmen 1988 aus der Taufe hob, sich eines Tages in Bonn als Zoodirektor einen Namen machen soll? Nitzschke kommentierte die Frage mit einem Schmunzeln – und verwies auf die „blühende Phantasie mancher Lokaljournalisten am Rhein“. Bis auf weiteres muss Asbeck sicher ernsthaftere Probleme bewältigen, etwa dem chinesischen „Staatszirkus“ Einhalt bei seiner Exportpolitik zu gebieten.  Solarworld hat seine Brandmeister längst in Stellung gebracht, immerhin ist Europa der mit Abstand wichtigste Photovoltaik-Markt der Welt mit einem Anteil von 70 Prozent. Und da möchte der Bonner Konzern weiterhin kräftig mitmischen, statt unter die Feuerwalze zu geraten.

Bereichert um viele neue Erkenntnisse, aber durchaus auch nachdenklich traten die Mitglieder der Bonner Journalisten-Vereinigung den Heimweg an.

Steffen Heinze

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