Bonner Begegnungen: Besuch bei Phoenix am 12.9.2013

Willkommen im Phoenix-Fanclub

Relativ viele Freiheiten in der Berichterstattung - beim Sender PHOENIX scheint dies Alltag zu sein. Das war jedenfalls der Eindruck, den eine Gruppe Journalisten bekam, die im Rahmen der „Bonner Begegnungen“ einen Blick hinter die Kulissen des 1997 von ARD und ZDF ins Leben gerufenen Ereignis- und Dokumentationskanals mit Sitz in der Bundesstadt warfen. Initiiert worden war der Besuch von der Bonner Journalisten-Vereinigung (BJV).

„Es ist schön, wenn Interviews auch mal länger als nur zweieinhalb Minuten geführt werden können“, erklärte dazu die Redakteurin und Moderatorin Elif Senel. Auf die Möglichkeiten, Themen zu vertiefen statt wie oft üblich, kurz abzuhandeln, verwies auch ihr Kollege Thomas Bade, den es vom Norddeutschen Rundfunk in Hamburg zu PHOENIX nach Bonn verschlug. Das ausschließlich nach inhaltlichen Kriterien über Sende- und Interviewlängen entschieden würde, bezeichnete er als regelrecht „befreiend“. Außerdem existierten wesentlich weniger starre Formatregeln als anderswo.

Bade, der auch im Vorstand der BJV ist, führte die Journalistengruppe durch das Herzstück des Senders, dem Studio, wo er im Wechsel mit anderen Kolleginnen und Kollegen wochentags „Vor Ort“ live auf Sendung geht. Von morgens 9 bis abends 18 Uhr werden den Zuschauern von dort Informationen aus erster Hand vermittelt. Bei aktuellen Ereignissen, wie zum Beispiel dem Hochwasser im vergangenen Frühjahr oder dem Papst-Rücktritt, stehen mehrere Stunden lang Experten als Studiogäste Rede und Antwort.

Ein Schwerpunkt des Programms ist die Berichterstattung aus den Parlamenten, den Landtagen sowie dem Bundestag und Bundesrat, deren Debatten PHOENIX als einziger deutscher Sender oft in voller Länge überträgt. Ähnliche Übertragen aus dem Europäischen Parlament seien den Zuschauern dagegen meist schwer zu vermitteln, betonte die Leiterin Zentrale Aufgaben und Programmplanung, Simone Fibiger. Das liege unter anderem an den Übersetzungen, die „viele abschrecken“, die Aufmerksamkeit gehe schlichtweg verloren. Deswegen würden die sehr „komplexen Europa-Themen“ journalistisch aufgearbeitet, was teilweise unter Mithilfe der Auslandskorrespondenten von ARD und ZDF geschehe, auf die man stets zurückgreifen könne.

Doch nicht immer wird PHOENIX auch eine Sendegenehmigung erteilt. Simone Fibiger unterstrich, dass sie gern mehr aus Untersuchungsausschüssen berichten würde, doch das sei nicht immer möglich. So wurde der Antrag, live die Aussage von Ronald Pofalla vor dem NSA-Untersuchungsausschuss zu senden, ebenso abgelehnt, wie der Antrag, die Aussage von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière beim Untersuchungsausschuss zum Euro Hawk. „Wir haben jedoch Fernsehgeschichte geschrieben mit der Live-Übertragung aus dem Visa-Ausschuss 2005, als Joschka Fischer und Otto Schily befragt wurden“, erklärte sie. Der Sender müsse mit 91 Planstellen (davon ein Drittel Redakteure und Redakteurinnen) sowie einem Jahresetat von 35 Millionen Euro über die Runden kommen. „Wenig im Vergleich zum geplanten Jugendkanal beispielsweise, für den im Vorfeld mindestens 65 Millionen Euro veranschlagt werden.“

Aber wer guckt die endlosen Übertragungen von aktuellen Ereignissen, Dokumentationen und Gesprächen überhaupt? Der Durchschnittszuschauer sei ungefähr 57 Jahre alt, stehe mitten im Berufsleben und sei politisch interessiert, antwortete Gudrun Hindersin, Leiterin Kommunikation, auf diese Frage. Interessant dabei, dass es nicht nur Menschen mit höherer Schulbildung sind, die PHOENIX als Informationsquelle nutzen: 42 Prozent der Zuschauer haben einen Hauptschulabschluss, 29 Prozent Abitur, 28 Prozent haben eine weiterführende Schule besucht, zwei Drittel sind Männer, ein Drittel Frauen.

Knapp vier Millionen Zuschauer schalten inzwischen täglich den Sender ein, das entspreche einem Marktanteil von 1,1 Prozent, die Verweildauer sei steigend. Sogar bei eher lokalen Ereignissen ist das Interesse immens: Fünf Prozent betrug zum Beispiel die Quote der insgesamt 80-stündigen Übertragung der Schlichtungsgespräche zum geplanten Umbau des Bahnhofes „Stuttgart 21“. Ein Spitzensatz, auf den man noch immer stolz ist.

Hintergründe in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft erhellen und Zusammenhänge darstellen, damit der Zuschauer einen „Mehrwert“ hat, so lautet vereinfacht das Ziel von PHOENIX. Mit diesem Konzept, stellten die Bonner Kolleginnen und Kollegen fest, scheint der Sender bei seinen „Fans“ angekommen zu sein.

Monika Freitag-Doering

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