Bonner Begegnungen: Die Reformation in Bonn

Reformationsgeschichte Bonns wird lebendig

Als Ende des 16. Jahrhunderts die Roten Rotten des Kölner Erzbischofs Ernst von Bayern durch das Erzbistum zogen und die verbliebenen reformierten Protestanten drangsalierten, hatte die Gegenreformation im kurkölnischen Rheinland und damit auch in Bonn erst einmal gesiegt. Was davor seit dem Beginn der Reformation vor 500 Jahren hier in Bonn geschah, machte fast anderthalb Stunden lang Thomas Becker, Archivar der Universität Bonn, lebendig.

Rund 15 Journalistinnen und Journalisten hingen am 30. März 2017 im Universitätsmuseum gebannt an den Lippen des promovierten Historikers. Vom Grünen Sofa des Museums aus entwarf Becker kurzweilig ein faszinierendes Bild der Zeit von etwa 1530 bis 1585, in der in unserer Region zunächst noch unklar war, wie sich die Kirchen und die Konfessionen - Lutheraner und Reformierte - bilden und finden würden.

Ja, und wenn die Geschichte anders gelaufen wäre - dann, so Becker, sähe wohl wirklich die Welt anders aus. Hätten erste reformatorische Ansätze unter dem Kölner Erzbischof Hermann von Wied in den 1540er Jahren Erfolg gehabt, dann nämlich hätte es bei den sieben Kurfürsten, die den Deutschen König und Kaiser wählten, und zu denen auch der Kölner Erzbischof und Kurfürst gehörte, ein protestantisches Übergewicht gegeben. Was dann aus dem Deutschen Kaisertum geworden wäre, das sich ja beim Papst in Rom legitimieren ließ? Und ob dann noch die Habsburger, ein katholisches Fürstenhaus, weiter das Abonnement auf den Kaiserthron gehabt hätten? Es kam anders. Viel wichtiger aber noch: Wenn Hermann von Wied sich mit seiner Kirchenreform durchgesetzt hätte, "dann hätten wir wahrscheinlich heute im Rheinland keinen Karneval", so Becker.

Der Archivar der Universität Bonn versteht es, einerseits die großen Zusammenhänge dieser Zeit aufzuzeigen, andererseits hat er den Blick fürs Detail; man kann es sich lebhaft vorstellen, wie der zweite Kölner Erzbischof Gebhard Truchsess von Waldburg, der protestantischen Agnes von Mansfeld schöne Augen macht. Allzu menschliches beherrscht die Geschichte und Politik – damals wie heute. Wegen der schönen Agnes kam es im Endeffekt 1583 zum fünfjährigen Kölner Krieg – wie Becker betonte, dem ersten Religionskrieg und damit einem wichtigen Vorläufer des 30-jährigen Krieges von 1618 bis 1648.

Wurden bisher Protestanten aus katholischen Städten einfach ausgewiesen, ging es im Kölner Krieg wesentlich brutaler zu. Schon im ersten Jahr legten die Heere des Ernst von Bayern, den das Domkapitel in Köln an Gebhards statt zum Erzbischof ernannt hatte, die Godesburg in Schutt und Asche; vier Jahre später eroberten und verwüsteten Gebhards Truppen die Stadt Bonn.

Nur, was hat der Archivar einer Universität, die erst 1818 gegründet wurde, mit dem Beginn der Reformation im Rheinland und in Bonn im 16. Jahrhundert zu tun? Becker promovierte über die Folgen der Reformationsbewegung in seinen Anfängen im Rheinland; und die Universität Bonn entstand in einer Zeit, in der durch die französische Besatzung im Rheinland und die Säkularisierung, überhaupt erst eine zweite reformatorische Bewegung im Rheinland möglich wurde.

Denn der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. hatte quasi noch am Verhandlungstisch auf dem Wiener Kongress 1815 dem Rheinland eine Reformuniversität versprochen, wie sie Alexander von Humboldt mit der nach ihm benannten Berliner Universität 1809 gegründet hatte. In diesem Zug war es fast zwingend, dass per ordre de Mufti 1816 die erste evangelische Gemeinde in Bonn gegründet wurde – zwei Jahre vor der Universität.

Wie sich an der noch jungen Alma Mater dann die evangelisch-theologische Fakultät in den ersten Jahrzehnten entwickelte, zeigt Becker in einer eigens für das Reformationsjahr 2017 konzipierten Ausstellung noch bis Ende April. „Theologie als Vermittlung“ von Kirche und Universität sowie Glaube und Wissen stand als Programm über dieser Epoche zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Stephan W. Eder

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