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  • 2023 - Mai - 30. - Bonner Begegnungen: Die WCCB-Prozesse - Juristischer Rückblick auf Bonner Desaster

Bonner Begegnungen: Die WCCB-Prozesse - Hintergründe

Juristischer Rückblick auf Bonner Desaster

Dr. Jens Rausch, Photo: Steffen Heinze
Dr. Jens Rausch, Photos: Steffen Heinze

Für die Stadt Bonn war es ein Desaster – juristisch, finanziell, wenig hilfreich fürs Renommee. Der Mammut-Prozess rund um das Bonner Kongresszentrum, in bescheidener Eigenwerbung besser bekannt unter dem Namen World Congress Center Bonn (WCCB) bescherte Rat und Verwaltung bundesweit eher unangenehme Schlagzeilen, über Jahre hinweg.

Zehn Jahre später steht der Vorsitzende Richter des Verfahrens, Dr. Jens Rausch, auf Einladung der Bonner Journalisten-Vereinigung (BJV) interessierten DJV-Mitgliedern Rede und Antwort. Ein Blick hinter die Kulissen, der es auch lange nach Abschluss des Prozesses in sich hat. Ein ebenso tiefgründiger wie pointierter Vortrag mit durchaus humorvollen Seiten und beachtlichen Analysen in der BJV-Reihe „Bonner Begegnungen“.

Dr. Jens Rausch, Photo: Steffen Heinze

Lambert-Sebastian Gerstmeier, Vorsitzender der BJV, ließ schon bei seiner Begrüßung der Gesprächsrunde in der Nebenstelle des Landgerichts keinen Zweifel: „Wir freuen uns auf einen ebenso ungewöhnlichen wie überaus kompetenten Gast.“
Und Jens Rausch musste sich nicht lange warmlaufen im Kreis der Journalistinnen und Journalisten, als es darum ging, die rund 200 Verhandlungstage und viele Hintergründe in wenigen Sätzen Revue passieren zu lassen – und an zahlreiche Höhepunkte zu erinnern. Zum Hintergrund: Im Jahr 2003 hatte die Stadt Bonn den Bau eines Kongresszentrums samt Hotel im ehemaligen Regierungsviertel beschlossen. Als Investor holte sie zwei Jahre später den Südkoreaner Man Ki Kim, Präsident der SMI Hyundai, ins Boot.

Der Hoffnungsträger weckte bei kritischen Beobachtern indes schnell Zweifel: 2008 bekamen diese immer mehr Nahrung, explodierende Baukosten und zunehmend unbezahlte Handwerker-Rechnungen folgten. Parallel dazu ließen Medien wiederholt mit Recherchen aufhorchen. Die Baustelle des einstigen Prestigeprojekts wurde schließlich stillgelegt, Razzien der Staatsanwaltschaft erhärteten den Verdacht, dass der einst hochgelobte Finanzier aus Ostasien wenig kreditwürdig war und eher in seiner Rolle als Hochstapler überzeugte. Der „einstige Glücksfall für Bonn“ setzte sich in die USA ab, wurde verhaftet und den Bonner Justizbehörden überstellt.

Auftrag erschlichen
Dr. Jens Rausch, Photo: Steffen Heinze

Am Ende des Prozesses vor der Wirtschaftsstrafkammer des Bonner Landgerichts stand ein 14-stündiges Plädoyer der Staatsanwälte, die sieben Jahre Haft wegen Betrugs und Untreue forderten – gegen den Hauptangeklagten Man Ki Kim und zwei weitere Angeklagte.

„Selbst wenn er es wollte, Kim konnte das Kongresszentrum nie bauen“, ist der Vorsitzende Richter Jens Rausch heute noch überzeugt. Er habe sich den Auftrag erschlichen, indem er vorgab, sein Unternehmen SMI Hyundai gehöre zum finanzkräftigen koreanischen Autokonzern. Beide Firmen, so wurde unter Ermittlern schnell klar, standen aber wirtschaftlich in keiner Beziehung.

Rausch und seine Kollegen mussten über Monate hinweg ein Geflecht von Firmen und Transaktionen entschlüsseln – und dazu auch aufwendige Dienstreisen in die USA, nach Großbritannien und Südkorea unternehmen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Ein juristischer Marathon nahm seinen Lauf, auf Rausch und seine Richter-Kollegen sowie die Schöffen wartete „ein dicker Brocken. Wir haben uns regelrecht durch die sehr umfangreiche Anklageschrift gefressen“, erinnerte sich Rausch bei der „Bonner Begegnung“. Insgesamt drei WCCB-Prozesse waren juristisch zu bewältigen, bei allen hatte Rausch den Hut auf.

LKW-Ladungen an Aktenordnern
Dr. Jens Rausch, Photo: Steffen Heinze

Zielstrebig, unprätentiös – und durchweg sympathisch: Der Vorsitzende Richter beeindruckt auch Jahre nach dem Verfahren mit Detailkenntnissen, bleibt keine Antwort schuldig. Rund acht Terrabyte an Daten waren zu bewältigen. „Hinzu kamen ganze LKW-Ladungen an Aktenordnern, die bei bundesweiten Durchsuchungen konfisziert worden waren“, so Rausch am Dienstsitz. Auch die Büros städtischer Bediensteter wurden durchsucht. „Unglaublich“, schüttelt der promovierte Jurist noch heute den Kopf. Dabei hatte ihm nicht die Größenordnung des Verfahrens „schlaflose Nächte beschert. Sondern der öffentliche Druck“. Schließlich hatten erst Medien den Skandal um das WCCB aufgedeckt und durch monatelange Recherchen das Verfahren in Gang gebracht.

Was wussten die 47 Bonner StadträtInnen von den Ungereimtheiten um Finanzjongleur Kim, die die millionenschwere Auftragsvergabe 2005 einmütig verabschiedet hatten? Wie tief steckten die Stadtspitze um die damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und die Bonner Sparkasse als Kreditgeber in dem Schlammassel? Bei dem ein vermeintlicher Multimillionär „ohne wesentliches Eigenkapital“ ein Millionenprojekt in den Sand setzt.

Dr. Jens Rausch, Photo: Steffen Heinze

Das Team um Jens Rausch war nicht zu beneiden. „Wir waren sehr entschlossen, die Wahrheit zu erfahren.“ Dazu gehörte das Studium etwa „kilometerlanger E-Mail-Verkehre, die Vernehmung von über 100 Zeugen, auch im Ausland. „Der Spaßfaktor hielt sich in Grenzen. Immerhin gab es einzelne Momente wie etwa die stundenlange Vernehmung von Zeugen in Sydney morgens um 5 Bonner Zeit via Video am Gericht. Oder die Beendigung eines Verfahrenstages eines Nachts um 1.07 Uhr, an die sich Rausch noch lebhaft erinnert. Und wieder kehrt das Schmunzeln zurück, wenn der Vorsitzende Richter auf die enorme Dimension des Prozesses verweist. „Und die Verpflichtung zu absoluter Objektivität.“ Bei allem Grübeln und „inneren Kopfschütteln. Du darfst Dir nichts anmerken lassen.“ Erst recht nicht auf dem steinigen Weg zur Urteilsfindung.

Jens Rausch, so viel wird an diesem Abend beim BJV auch deutlich, hat bei einem der bislang größten Bonner Bauskandale für einen fairen Prozess gesorgt, bei allem Widerstand vieler Beteiligter. Die fast zweistündige Gesprächsrunde hinterließ zahlreiche nachdenkliche Gäste.

Steffen Heinze

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