Bei allem Unmut Feiern nicht vergessen

Die fein gedeckten Tische lieferten zwar einen angenehmen Rahmen zum traditionellen Gänseessen, doch einigen der knapp 60 Gästen der Bonner Journalistenvereinigung wollte es zunächst nicht so richtig schmecken. Der Vorsitzende der BJV, Hajo Goertz, traf den Nagel auf den Kopf, als er bei der Begrüßung auf die aktuelle Entwicklung bei den Printmedien hinwies: „Es sind lausige Zeiten für den Journalismus.“ Mit Blick auf die Schließung mancher Lokalblätter an Rhein und Ruhr, auf die zunehmende Konzentration und untertarifliche Honorierungen von freien Mitarbeitern wies Goertz darauf hin, wie wichtig es sei, eine Gedankenpause einzulegen, nachzudenken – und bei allem Unmut das Feiern nicht zu vergessen.

Der Vorsitzende des Bundesfachausschusses Freie Journalisten begrüßte unter den Gästen auch den Vorsitzenden des DJV-Landesverbandes, Frank Stach, sowie unter den zu ehrenden Jubilaren besonders die ehemalige ZDF-Wirtschaftsjournalistin Fides Krause-Brewer, die für ihre 60-jährge Mitgliedschaft im DJV äußerst lebhaften Beifall erhielt. Die in Bonn wohnhafte Jubilarin genoss die Würdigung im Kreis der Kolleginnen und Kollegen sichtlich (siehe Beitrag unten).

Kritisch äußerte sich Goertz zur Entwicklung im Bonner Funkhaus der Deutschen Welle. Der strukturell unterfinanzierte Sender habe einen erheblichen Aderlass hinter sich, rund 300 Beschäftigte mussten 2014 enorme finanzielle Einbußen hinnehmen, fast 70 davon müssen das Haus verlassen, weitere spürbare Kürzungen im Honoraretat drohen 2015.

Frank Stach hob die Bedeutung des Brückenschlags zwischen der älteren und der jüngeren Generation hervor: „Wir müssen stärker denn je zusammenstehen, unsere Werte pflegen und für eine starke Gemeinschaft im DJV kämpfen.“ Solidarität sei stärker gefragt denn je, auch vor dem Hintergrund sinkender Mitgliederzahlen und dem folgenschweren Umbruch der Medienbranche, der zunehmend auch einhergehe mit sinkender Qualität im Journalismus.

Bevor die Gäste es sich dann doch noch schmecken ließen, gratulierte BJV-Vorsitzender Goertz persönlich anwesenden Jubilaren: Matthias Röcke für 40 Jahren im DJV; den „25jährigen“ Alexandra Bartschat, Karl Heinz Braun, Rainer Langen, Christoph Overkott und Werner Schui sowie eben Fides Krause-Brewer, die seit 60 Jahren dem DJV die Treue hält. Die an diesem Abend verhinderten 18 BJV-Jubilare erhalten Urkunden und Ehrennadel zugesandt.

Steffen Heinze

Mit 95: „Ich muss doch wissen, was passiert!“

Beeindruckend ihre Gedankenblitze, überraschend ihre detaillierten Erinnerungen. Immerhin liegt ihre Zeit vor der ZDF-Kamera schon ein paar Jahrzehnte zurück. Fides Krause-Brewer schmunzelt, wenn sie ihren Spitznamen verrät: la Grande Dame des Wirtschaftsjournalismus. Dass sie jetzt von der Bonner Journalisten-Vereinigung für 60-jährige Mitgliedschaft im DJV geehrt wurde, erfüllt sie mit Stolz und Genugtuung. Sie verliert sich nicht in ihren Erinnerungen, sie ist wählerisch. Etwa wenn es um frühere Begegnungen mit Konrad Adenauer oder mit dem von ihr so geschätzten Helmut Schmidt geht.

Fides Krause-Brewer, 95, studierte Volkswirtschaftlerin, begleitete die Spitzenpolitiker der Bonner Republik erst mit dem Radiomikrofon (für den NDR), später mit der Kamera für das ZDF. Die Korrespondentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik entwickelte sich schnell zu einem Markenzeichen, die meinungsfreudige TV-Journalistin bedurfte keiner Quote, um beim ZDF eine feste Größe zu werden. Fides Krause-Brewer verbrachte in einem großbürgerlichen Elternhaus in Berlin Kindheit und Jugend, erlebte im Konzertsaal Toscanini und Furtwängler – und entdeckt ihre Liebe zur Musik.

Da darf es auch mal „Hänsel und Gretel“ sein, die Märchenoper aus der Feder des Siegburger Komponisten Engelbert Humperdinck, zu der sie sich kürzlich mit einer Freundin in Bonn verabredete. Sie strahlt, wenn es um die Musik geht, um Wohlgefühl in ihren vier Wänden unterhalb des Siebengebirges. Hier verfolgt sie vormittags das Weltgeschehen des Vortags, vertieft in zwei Tageszeitungen. „Natürlich gehören auch die heute-Nachrichten und Tagesschau zum festen Tagesrhythmus. Ich muss doch wissen, was in der Welt passiert! Außerdem: Politik bewegt mich.“

Wenn es um die Entwicklung im Journalismus geht, weicht ihr charmantes Lachen, sorgenvoll hält Fides Krause-Brewer inne: „Es geht viel Substanz kaputt. Voreilige Kritik und reißerische Darstellungen“ widersprechen ihren journalistischen Prinzipien. Dabei sei es ein schöner Beruf. „Man muss sich aber seiner Verantwortung bewusst sein, Tag für Tag.“

Beeindruckend ihre geistige Frische, ihre Vitalität. Gerade erst hat sie Remarques‘ desillusionierende Darstellung des Krieges verschlungen, „Im Westen nichts Neues“. Der Roman „hat mich gefesselt“. Fides Krause-Brewer hat vor vier Jahren ihre Memoiren geschrieben. Vielleicht etwas zu früh.

Steffen Heinze

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