Fortbildung als Chance: Neue Perspektiven am Arbeitsmarkt
Eine Strategie entwickeln, um seinen Markt zu finden
Fortbildung als Chance zu begreifen und die Augen nach neuen Perspektiven am Arbeitsmarkt offenzuhalten, dazu hat die Bonner Journalistenvereinigung (BJV) ihre Kolleginnen und Kollegen am 7. Mai 2009 mit einer Podiumsdiskussion in der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin angeregt.
Man lernt nie aus. Das klingt abgedroschen, ist aber wahr. Journalisten von
heute haben es mit einem völlig anderen Beruf zu tun als ihre Kollegen vor 20
Jahren. Ihre Aufgabenpalette reicht von der kompletten Gestaltung der Seiten
einer Zeitung bis zur Aufbereitung von Themen für verschiedene Kanäle wie Print,
Online, Audio, Video. Entwicklungen in Technik und Gesellschaft schreiten weiter
voran, und vor allem das Internet hat die Medienlandschaft stark verändert.
Journalisten sind gezwungen, ihre Fähigkeiten und Arbeitsweisen den sich
wandelnden Anforderungen anzupassen.
Eingeladen hatte die BJV in die
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin (bis Ende 2008 firmierte sie als
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg). BJV-Vorsitzende Anne Altmann
begrüßte ein hochkarätig besetztes Podium aus Medien, Bildung und Forschung, das
von der Medienjournalistin Bettina Schmieding moderiert wurde.
Für Denkanstöße und Meinungsaustausch sorgten Stefan Korol,
Professor für Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg,
Gabriela Leibl, Pressechefin beim Kölner Privatsender Vox,
Dr. Marcus Nicolini, Leiter der journalistischen
Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Dr. Hilmar
Schneider, Direktor Arbeitsmarktpolitik am Forschungsinstitut zur
Zukunft der Arbeit (IZA) sowie die stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende
Ulrike Kaiser.
Vorneweg gab es den Ansporn durch den
Hausherrn: Gerade in Zeiten von Web 2.0, dem Internet zum Mitmachen, wo jeder
alles veröffentlichen kann und Laien zu Bürgerreportern werden, sei
journalistische Qualität gefragt, so Professor Dr. Michael
Krzeminski, Dekan des Fachbereichs Elektrotechnik, Maschinenbau und
Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. In seinem Impulsvortrag
erklärte Krzeminski: „Der Journalist hat überhaupt nur noch eine Zukunft, wenn
er sich in hohem Maße professionalisiert.“
Anspruch und
Wirklichkeit
Genau da macht Ulrike Kaiser Probleme aus: „Ich
sehe Anzeichen der Deprofessionalisierung im Journalismus“, sagte die
Gewerkschafterin und ehemalige journalist-Chefredakteurin. In Umfragen würden
Journalisten Fortbildung stets als sehr wichtig einstufen, die Praxis aber sehe
ganz anders aus: „Der Bereich Fortbildung läuft in Deutschland gar nicht gut“,
so Kaiser. Sie beklagte die schwindende Weiterbildungskultur in Unternehmen. „Es
gab früher immerhin eine größere Bereitschaft seitens der Verlagshäuser, sich zu
engagieren.“
Kompetenz ist gefragt, das sah auch Dr. Marcus Nicolini von
der KAS so. Allerdings war er der Meinung: „Es bringt nichts, bei Unternehmen
Fortbildung einzufordern. Man muss die Journalisten selbst begeistern und
motivieren.“ Gegen die Scheu vor neuen Techniken helfe nur, sich mit ihnen
auseinanderzusetzen. Und neue Perspektiven ergäben sich auch nur dem, der den
Blick über den Tellerrand wage. Nicolini empfahl deshalb, Netzwerke mit Kollegen
zu pflegen und sich medienübergreifend auszutauschen. Wenn es um mögliche
Arbeit- oder Auftraggeber gehe, dürfe man auch keine Scheu vor PR haben, riet
er. Dass die Arbeitsfelder Journalismus und PR dabei thematisch getrennt sein
sollten, versteht sich von selbst.
Die Journalisten selbst sah auch
Vox-Pressechefin Gabriela Leibl in der Pflicht: „Fortbildung muss man
einfordern!“, sagte Leibl und fügte hinzu: „Man muss aufgeschlossen sein und
gucken, was sich in den Medien tut. Bekannter Content muss für neue Medien
verändert werden.“
Fortbildung ja – aber nicht von außen aufgesetzt. Sie
hat nur Sinn, wenn sie ins eigene Konzept passt. So sah es Journalistikprofessor
Stefan Korol: „Ich selbst muss wissen, worin ich mich warum fortbilden möchte.
Ich muss für mich selbst eine Strategie entwickeln.“
Ähnlich formulierte
der Arbeitsmarktforscher Dr. Hilmar Schneider (IZA): „Es kommt darauf an, ein
eigenes Qualifikationsprofil zu entwickeln und damit seinen Markt zu finden.“
Das allerdings sei nicht allein mit Aus- oder Weiterbildung zu erreichen:
„Soziale Kompetenz wird dabei immer wichtiger!“ Doch wie man die vermittelt,
darauf hatte der Wissenschaftler keine Antwort. Dafür aber auf die Frage, wie
die Zukunft der Arbeit aussieht: „Für mich ist das ein Prozess der
Entprofessionalisierung.“ Künftig werde man von Tätigkeiten statt von Berufen
sprechen.
Umbrüche in der
Arbeitswelt
Schneider bezeichnete den Prozess als
organisatorische Revolution – die Anspielung an die Industrielle Revolution sei
gewollt, weil die Veränderungen ebenso fundamental seien. Diese organisatorische
Revolution sei bereits im Gange und bedeute: den Abschied von einer Welt mit
klarer Hierarchie, von „normalen“ Arbeitsverhältnissen. An Stelle von
Handlungsanweisungen träten Zielvereinbarungen. Statt fester Arbeitgeber gebe es
verschiedene Auftraggeber und mobile Arbeitsplätze. Der Ökonom war überzeugt:
„Berufe gibt es nicht mehr, aber trotzdem finden Leute Tätigkeiten mit
Einkommen.“
Wenn die Welt sich verändere, müsse man sehen, ob das Bild
von Journalismus, wie man ihn sich wünscht, noch möglich sei. Und sich dann
entweder davon verabschieden – oder es selbst auf die Beine stellen. Schneider:
„Wir sind gezwungen, unser Wissen im Lauf unseres Lebens immer wieder
anzupassen.“ Oder anders gesagt: Man lernt nie aus.
Barbara
Buchholz