Bonner Journalisten beim Europäischen Parlament

Die Delegation der Bonner Journalistenvereinigung.
Die Delegation der Bonner Journalistenvereinigung. Foto: EP.

Sichere Prognosen sind von den namhaften Gesprächspartnern nicht zu bekommen, als 17 Kolleginnen und Kollegen der Bonner Journalistenvereinigung (BJV) das Europäische Parlament (EP) in Straßburg besuchen. Aus aktuellem Anlass befragen sie die Abgeordneten nach dem Brexit und seinen Auswirkungen sowie nach den Aussichten zur Europa-Wahl. Der Sozialdemokrat Jo Leinen sieht am Austritts-Wunsch Großbritannien positiv, dass die EU auch in der Krise geschlossener dastehe als je; London habe wohl gedacht, es könne die Gemeinschaft spalten, und müsse nun das Gegenteil feststellen. Ähnlich bewertet Sven Gigold von der Grünen-Fraktion die Entwicklung. Nicht anders David McAlister, Vorsitzendes der Auswärtigen Ausschusses des EP, der als Deutscher mit gleichzeitig britischem Pass beide Seiten kennt, aber die Mehrheit der Briten und das Parlament in Westminster mit seinem Hin und Her nicht verstehen kann.

Die Gesprächspartner stimmen überein, dass ein EU-Ausstieg Großbritanniens ohne Regelung für beide Seiten nachteilig ist; hingegen sei der Vertrag der Kommission mit Theresa May ein ausgewogenes Abkommen. Das Gerangel um den Brexit lenke, so die Abgeordneten, das Interesse der Bürger auf die Wahl zum Europäischen Parlament. Sie hoffen – auch das gemeinsam –, dass die Wählenden den Rechtspopulisten, die die Union zerstören wollten, eine deutliche Abfuhr erteilen.

Es trifft sich, dass der EU-Abgeordnete für die Bonner Region, Axel Voss (CDU/EVP), für das Parlament federführend die Urheberrechtsreform bearbeitet hat. Er zeigt sich erleichtert, dass sie mit knapper Mehrheit verabschiedet wurde. Doch einige der Bonner Besucher kritisieren heftig, dass die Öffentlichkeitsarbeit des EP in dieser, aber nicht nur in dieser Sache äußerst mangelhaft gewesen sei und dringend verbessert werden müsse. Auch in den Gesprächen mit den Kollegen von Voss kommt die Urheberrechtsreform zur Sprache. Der Grüne Sven Gigold hält den gefundenen Kompromiss für unzulänglich; er betont, dass nicht Maschinen (Uploadfilter) über die berechtigte Verwendung von Texten und Bildern entscheiden sollten, sondern Menschen. Der SPD-Abgeordnete Leinen verweist ebenso wie CDU-Kollege Voss darauf, dass die Diskussion über die Urheberrechtsreform gerade in Deutschland so aufgeregt geführt werde, in Frankreich dagegen ein größeres Verständnis für die Interessen der Urheber, also Journalisten, Autoren, Fotografen, Musiker vorherrsche. Der DJV, das wissen die Bonner Kollegen, wird die Umsetzung des europäischen Urheberrechts in nationale Gesetzgebung kritisch begleiten, damit die Interessen insbesondere der freien Journalisten dabei gewahrt bleiben.

Judit Hercegfalvi, Pressesprecherin im Berliner Büro des EP, betreut die Bonner Gruppe beim Besuch in Straßburg. Sie erläutert die in mancher Hinsicht andere Arbeitsweise des Brüssel/Straßburger Parlaments im Vergleich zu den nationalen Volksvertretungen. Besonders aufmerksam wird registriert, dass oft fraktionsübergreifend Kompromisse und Abstimmungen möglich sind. Davon können sich die Bonner Journalisten im EP-Plenum einen Eindruck verschaffen. Judit Hercegfalvi informiert auch über die mediale Vorbereitung der deutschen EP-Vertretung zur Europa-Wahl und bietet umfassende Unterstützung an.

Den Auftakt des Straßburg-Reise der BJV bildet ein Besuch beim dort ansässigen TV-Sender ARTE. Das Programm sei dezidiert europäisch ausgerichtet. Es gebe viele Eigenproduktionen. Die Redaktionen arbeiten kollegial mit freien Autoren, die auch ihren Leistungen entsprechend angemessen honoriert würden. Interessant die Information, wie ARTE journalistischen Nachwuchs rekrutiert: unter anderem beobachte man, was junge Leute bei Youtube veröffentlichen; wenn die Redakteure journalistische Begabung entdeckten, würden die Autoren zu Praktika und Ausbildung eingeladen.

Nach den Gesprächen im EP lassen sich die Bonner Journalisten noch beim benachbarten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, einer selbständigen Einrichtung des Europarates, über dessen Arbeitsweise unterrichten. Der EuGMR wird oft verwechselt mit dem in Luxemburg ansässigen Europäischen Gerichtshof, der in der EU tätig ist. Dr. Somi Nikol, Richterin und Pressesprecherin des EuGMR, geht dabei auch auf Verfahren ein, die sich gegen Deutschland richten. Überwiegend handelt es sich um Klagen wegen überlanger Gerichtsverfahren und um die Praxis von Sicherungsverwahrungen.

Dr. Hajo Goertz

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